An den Bürgermeister, den Vizebürgermeister
und die Stadt- und Gemeinderäte der
Stadtgemeinde Klosterneuburg Wien, am 6. Juli 2023
Betrifft: Wiesenumbruch am Buchberg
Stellungnahme zu den Wortmeldungen von Bgm Schmuckenschlager und Vizebgm Honeder in der Sitzung des Gemeinderates vom 29. Juni 2023:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Stadt- und Gemeinderates Klosterneuburg!
Dem Naturschutzbund NÖ und seiner Ortsgruppe Klosterneuburg ist es ein Anliegen,
den in der Gemeinderatssitzung vom 29.6.2023 von BM Mag. Schmuckenschlager und
Vizebürgermeister Mag. Honeder getätigten Aussagen zum Wiesenumbruch am
Buchberg mit folgender Klarstellung entgegenzutreten. Damit soll einer unnötigen
Polarisierung entgegengearbeitet und zu einer lösungsorientierten Vorgangsweise
beigetragen werden.
• Der Naturschutzbund NÖ hat am 6. März in einem Schreiben an die BH Tulln
den Umbruch von 1,68 ha wertvoller Magerwiese im „Europaschutzgebiet
Wienerwald-Thermenregion“ angezeigt mit der Bitte um Information, ob die aus
der Sicht des Vereins erforderlichen Bewilligungen nach dem NÖ
Naturschutzgesetz erteilt wurden. Er wurde dabei von der
Landesumweltanwaltschaft unterstützt. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat in
Österreich das Recht, ein aus seiner Sicht nicht dem geltenden Recht
entsprechendes Vorgehen, von wem auch immer, der Behörde mitzuteilen. Die
hier gewählte Vorgangsweise hat, entgegen der Äußerungen des
Bürgermeisters und seines Vertreters, primär nichts mit den Rechten einer
Naturschutzorganisation im NÖ Naturschutzgesetz oder im UVP-Gesetz zu tun.
Es wäre von Amtsträgern zu erwarten, dass sie sich an Fakten halten und nicht
unnötig polemisieren und damit Konflikte schaffen bzw. weiter anheizen.
• Bei der nunmehr teilweise umgebrochenen Parzelle handelt es sich nicht um
„irgendeine Wiese“, sondern um einen „prioritär zu schützenden Lebensraum“,
also ein Schutzgut, das durch europäisches Recht (EU-Naturschutz-Richtlinien)
geschützt ist. Weiters ist die Fläche als Wuchsort seltener und hochgradig
gefährdeter Orchideenarten bekannt. Damit ist das NÖ Naturschutzgesetz zu
berücksichtigen und es ist zu überprüfen, ob eine Maßnahme den Vorgaben
dieses Gesetzes nicht zuwiderläuft.
• Wiesen sind Lebensräume, die vom Menschen geschaffen, über viele
Jahrzehnte (und Jahrhunderte) durch die extensive Pflege (ein- bis zweimalige
Mahd und Nutzung des Mähguts/Heu) entstanden sind. Sie stellen komplexe
Ökosysteme dar, in denen sich Pflanzen und Tiere in Lebensgemeinschaft
miteinander entwickelt haben und voneinander abhängen. Die Intensivierung
der landwirtschaftlichen Nutzung hat europaweit – auch in Österreich – zu einem
starken Rückgang dieser wertvollen Lebensräume geführt, sodass diese sowohl
in der Roten Liste der Biotoptypen Österreichs als hochgradig gefährdet geführt,
als auch im Anhang I der Fauna-Flora Habitat Richtlinie gelistet werden
mussten. Die Umwandlung in Weingärten stellt jedenfalls eine starke
Beeinträchtigung der entsprechenden Lebensgemeinschaften dar, da ja im
Zuge der Bewirtschaftung zumindest regelmäßiges Befahren nötig ist.
Abgesehen von der Zerstörung der Wiesenvegetation durch den Umbruch und
die Anpflanzung der Rebzeilen, wird sich daher auch in den Fahrgassen keine
artenreiche Wiesengemeinschaft einstellen können. Schon gar nicht kann man
von höherer Biodiversität sprechen! (Siehe dazu die naturschutzfachliche
Stellungnahme im Anhang.)
• Zum Zeitpunkt des Wiesenumbruchs war nicht erkennbar, welche Folgenutzung
dort geplant wäre und wer dafür verantwortlich sei. Die Anzeige einer
bewilligungspflichtigen Kulturumwandlung war daher nie gegen „den Weinbau in
Klosterneuburg“ gerichtet! Der Weinbau hat in Klosterneuburg eine lange
Tradition und der Sitz der Weinbauschule in Klosterneuburg ist von besonderer
Bedeutung. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, wieso das Unterbinden des
wahrscheinlich rechtswidrigen Vorhabens der Anlage von 1,68 ha Weingarten
auf einer geschützten Wiese eine Gefährdung des Weinbaus und des
Standortes der HBLFA für Wein- und Obstbau bedeuten sollte. Durch jüngst
erfolgte Betriebsaufgaben wären etliche geeignete Flächen für die neuen
Weingärten der Weinbauschule in Klosterneuburg verfügbar. Allerdings ist uns
eine Abwägung mit anderen, naturverträglichen Standorten derzeit nicht
bekannt.
• Sehr befremdlich wirkt in diesem Zusammenhang die Aussage, dass
„irgendwann ein Betreten von Flächen nicht mehr möglich“ sein werde. Auch
heute dürfen laut geltendem Recht keine landwirtschaftlichen Flächen im
Offenland betreten werden. LandwirtInnen in stadtnahen Erholungsgebieten
haben auch heute schon mit dem Problem zu kämpfen, dass BesucherInnen
mit ihren Hunden durch ein Getreidefeld oder eine Wiese vor der Mahd laufen.
Warum soll die Anzeige eines Wiesenumbruchs hier andere Fakten schaffen?
Welche Absicht steht hinter dieser Aussage des Herrn Bürgermeisterns, außer
jener, eine für den Naturschutz in der Gemeinde eintretende Organisation zu
diskreditieren? Solche Aussagen sind leicht als Ablenkung vom eigentlichen
Problem – des wahrscheinlich rechtswidrig erfolgten Umbruchs einer
naturschutzrechtlich geschützten Wiese – zu erkennen. Seitens des
Naturschutzbundes wird dieses Schüren eines Scheinkonflikts als unnötige
Zuspitzung zurückgewiesen. Vielmehr erwarten wir von AmtsträgerInnen, dass
fehlerhafte Vorgangsweisen einbekannt und korrigiert werden.
• Der Naturschutzbund und seine Vertreter*innen arbeitet eng mit Expert*innen
aus dem Bereich der Biodiversität zusammen. Warum in der Wortmeldung des
Herrn Bürgermeisters einerseits von „überhöhter Wissenschaft“ gesprochen und
andererseits die Wissenschaft in Klosterneuburg – etwa durch die Ansiedlung
des ISTA – hoch geschätzt wird, ist unverständlich. Es scheint so zu sein, dass
man sich jene Wissenschaftsbereiche aussucht, die den eigenen politischen
Zielsetzungen entsprechen und alle anderen als „überhöht“ bezeichnet. Dabei
wird völlig außer Acht gelassen, dass Ökologie und Naturschutzforschung –
gerade auch im Biosphärenpark Wr.Wald – wesentliche Beiträge für nachhaltige
naturverträgliche Landnutzung leisten und damit ihre Verantwortung für ein lösungsorientiertes Miteinander gerecht zu werden versuchen!
Anbei finden Sie die fachliche Stellungnahme des Präsidenten des Naturschutzbund
Österreich und Ass.-Prof. für Naturschutz und Biodiversitätsmanagement Dr. Thomas
Wrbka zum Wiesenumbruch.
Mit freundlichen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. Josef Greimler
Vorsitzender
Anhang: Naturschutzfachliche Stellungnahme von Ass.-
Prof. Dr. Thomas Wrbka